Ich träumte von einem Staat, in dem man bei Facebook sein muss. Ich habe manchmal Alpträume, die zunächst völlig unrealistisch zu sein scheinen. Gemeinhin habe ich gerne den Schlüssel zu der Tür, die hinter mir ins Schloß fällt. Dieser Freiheitswunsch scheint selbstverständlich zu sein, aber wieso stimmen dann Milliarden Userinnen AGB zu, die sie nicht gelesen haben?

Ich träumte also von einem Facebook-Staat, in dem man ’social‘ sein muss. Ich glaube, es war eine Art DDR. Die war ja sozusagen ein verpflichtendes, analoges soziales Netzwerk aus Millionen Karteikarten.

Die geregelte, erwünschte Kommunikation verlief vertikal. Von unten nach oben. Oder sie erfolgte umgekehrt als Befehl von oben nach unten. Ungeordnete Kommunikation zwischen Freunden und Freundinnen hingegen war horizontal. Sie verlief, sofern es um wichtige, persönliche und diskrete Informationen ging, analog.

Es war ein geteiltes Land. Die Teilung verlief zwischen der offiziellen, digitalen Kommunikation auf Facebook und der inoffiziellen, analogen unter den realen Freunden. So wurde das gesellschaftliche Leben immer schmäler. Schließlich wurde Facebook so schlank, dass man die Enge nicht mehr aushalten konnte. Aber man durfte und konnte Facebook nicht verlassen!

Ich tobte, suchte nach einem Ausgang in einer Mauer. Da stand endlich „Exit“. Ich lief schnell durch die Maueröffnung und war – in der Wallstreet! In der Mauerstraße! Alle jubelten mir zu! Die Investoren von Facebook waren an die Börse gegangen und hatten ihre Firmenanteile verkauft, ihren Exit gemacht! Mit meinen Daten, die ich nicht löschen konnte! Ich war mitten im Herz des Kapitalismus gelandet. War das der Ausgang aus der Unfreiheit? Erschöpft sank ich nieder. Ich war frei, aber online.

(Bernhard Morawetz, 2013)

Facebook ohne Ausgang